Per Anhalter
über die Lofoten

Es ist Ende August 2019 als ich zum ersten Mal in Norwegen unterwegs bin. Mein Rucksack ist vollgepackt mit Zelt, Schlafsack und Wanderschuhen und ich mit größter Vorfreude und Abenteuerlust. Um den norwegischen Preisen entgegen zu wirken, sind 10 Packungen Asia-Nudeln und Müsliriegel mit am Start. Ich lande mit dem Flugzeug in Bodø und genieße die ersten Kilometer zwischen Flughafen und Hostel zu Fuß. Bodø hat einen Hafen, ein paar süße Cafés und eine (für Norwegen typische) fragwürdig hohe Anzahl an Friseursalons. Außerdem gibt es die wohl hässlichste Kirche, die ich je gesehen habe. Bodøs Hausberg erkunde ich am Tag nach meiner Ankunft bevor ich mit der Fähre Richtung Lofoten aufbreche.

Per Anhalter über die Lofoten (Plural) müsste eigentlich Per Anhalter über Lofoten (/:Luhfottn/) (Singular) heißen.

Die Lofotinseln liegen im Europäischen Nordmeer vor der Küste Nordnorwegens.

Die Region Lofoten hat ca. 24.000 Einwohner.

Die Landfläche der Lofotinseln umfasst 1.227 km², verteilt auf ca. 80 Inseln. 

Ich bin von Berlin über Oslo nach Bodø geflogen. In Bodø kann man gut und günstig im HI Hostel direkt im Bahnhofsgebäude übernachten. Auf Bodøs Hausberg, den Keiservarden (366 m), braucht man vom Hostel ca. eineinhalb Stunden. Oben angekommen kann man einen ersten Eindruck von Norwegens wunderschöner Landschaft gewinnen. Zweifellos dient Bodø hauptsächlich als Tor zu den Lofoten. Die Fähre nach Moskenes legt hinter dem Bahnhofsgebäude ab und die Fahrt dauert ca. drei Stunden. Im August 2019 konnte ich mein Ticket als Reisende ohne Auto direkt vor Ort beim Einsteigen kaufen (zur Reisehochsaison sollte man lieber vorher buchen).

Moskenes

Meine erste Nacht auf den Lofoten verbringe ich auf dem Campingplatz in Moskenes. Den Regen am nächsten Morgen überbrücke ich mit einigen anderen deutschen Wanderern in der Campingküche und werde dabei mit Instant-Kaffee und Reisetipps für die nächste Woche ausgestattet. Dank einer Küchenbekanntschaft kann ich auf die geplante Busfahrt Richtung Norden verzichten und werde stattdessen im Auto mitgenommen.

Es gibt eine Hauptstraße, die E10, die über die kompletten Lofoten führt. Es verkehren Busse, deren Fahrplan Anfang September zwar ausgedünnt, aber grundsätzlich in Betrieb war (www.reisnordland.no). Ich bin auf meiner Reise hauptsächlich getrampt und das hat super funktioniert (allerdings vor Covid). Am flexibelsten und teuersten reist man mit einem Mietauto.

Kvalvika Beach

Das Ziel des heutigen Tages ist Kvalvika Beach, eine Bucht an der nördlichen Küste der Insel Moskenesøy, die auf dem Landweg nur zu Fuß erreichbar ist. Ich werde in Fredvang rausgeworfen und laufe die übrigen drei Kilometer bis zum Start des Wanderwegs. Gegenüber von einem kleinen Parkplatz beginnt der Wanderweg. Der Kvalvika Beach liegt nur einen Bergpass entfernt. Der Anstieg ist moderat, trotzdem empfinde ich die felsige Beschaffenheit mit meinem schweren Rucksack als herausfordernd. Nach einer halben Stunde erreiche ich den höchsten Punkt und genieße den ersten Blick auf die schöne Bucht. Keine weitere halbe Stunde später komme ich am Strand an und suche mir auf den umliegenden Grasflächen mein Zuhause für die Nacht. Es ist ruhig hier Ende August und so ist mein Zelt eines der Ersten und es sollen nur wenige weitere folgen. Eines davon gehört Benni und Steve aus München mit denen ich abends bei einem Tee an diesem schönen Fleckchen Erde zusammen sitze.

Am nächsten Morgen wandere ich auf den an die Bucht angrenzenden Berg Ryten (543 m). Hier oben eröffnet sich ein Ausblick über die atemberaubende Landschaft der Lofoten: eine von Wasser zerklüftete Berglandschaft mit schroffen Gipfeln und noch steileren Hängen. Es ist verdammt windig, aber auch die stärkste Windböe kann dem Vergnügen dieses Anblicks nichts anhaben. Auf dem Berg treffe ich ein Mädchen, das mit den besten Fotospots und -posen vertraut ist. Gegenseitig halten wir den Moment füreinander mit der Kamera fest.

Zurück am Strand bin ich vom Wandern so aufgeheizt, dass mir die Idee einer Erfrischung im Meer grandios vorkommt. Sauber werde ich im eiskalten Wasser, keine Frage, frisch paniert werde ich dank nasser Haut, starkem Wind und verwehtem Sand aber auch. Nach einem Mittagessen, baue ich mein Zelt zusammen und verlasse den Kvalvika Beach Richtung Zivilisation. 

Bei der Anreise über Moskenes findet man gleich gegenüber der Fährstation den hiesigen Campingplatz. Wild Campen ist auf den Lofoten dank des Jedermannsrechts auch erlaubt. Die Strände eignen sich dafür wunderbar. Während meiner Reise war dies an den Stränden Kvalvika Beach und Haukland Beach kostenlos und am Unstad Beach für ein paar wenige Kronen möglich (Stand 09/2019). Am Kvalvika Beach kann man sich an einem Bachlauf mit Wasser versorgen. Am Haukland Beach und am Unstad Beach gibt es Toilettenhäuschen.

Haukland Beach

Zurück an der Straße mache ich mich mit ausgestrecktem Daumen auf in Richtung Norden. Die erste Mitfahrgelegenheit ergibt sich schnell und zufälligerweise nicht mit Fremden, sondern mit Benni und Steve vom Vorabend. Im Laufe des Tages sitze ich in vier weiteren Autos. Nach Schweizern, thailändischen Schweden und Norwegern, treffe ich mit zwei Argentiniern am Tagesziel, dem Haukland Beach, ein. In diesen Tagen habe ich meine ersten Hitchhiking-Erfahrungen überhaupt. Dass ich tatsächlich immer am, nicht unbedingt zentral gelegenen, Wunschziel ankomme, halte ich durchaus nicht für selbstverständlich, sondern für große Gesten, die ich dankbar in Erinnerung halte. 

Nachdem schon der Kvalvika Beach meine Vorstellung einer nordischen Bucht gesprengt hat, bin ich am Haukland Beach endgültig im Karibik-Lookalike angekommen. Türkisfarbenes Wasser wird im seichten Wellengang auf den gelben Sandstrand getragen. Auch hier gibt es Rasenflächen direkt neben dem Strand, auf denen ich mein Zelt aufschlagen kann.

Vom Strand aus starte ich am nächsten Morgen meine Wanderung auf den Himmeltinden (962 m). Der Wanderweg beginnt auf der anderen Straßenseite vom Haukland Beach und führt zunächst in kleinen Serpentinen auf eine Ebene hinauf. Ab hier ist der Weg zum Himmeltinden ausgeschildert. Schon während des steilen Anstiegs fällt es schwer, die Augen von der unglaublichen Szenerie zu wenden, die sich vom Gipfel in 360° bestaunen lässt. Auf dem Rückweg laufe ich erst zum Uttakleiv Beach und von dort an der Küste entlang zurück zum Haukland Beach. Nach 6 Stunden bin ich wieder am Zelt und mache mich für die Weiterreise bereit.

Unstad Beach

Auch das Ziel für diesen Tag ist ein Strand, der Unstad Beach. Den unter Surfern sehr beliebten Spot erreiche ich nach zwei Mitfahrgelegenheiten. Am Unstad Beach hinterlasse ich für die Übernachtung am Strand ein paar Norwegische Kronen in einer Kasse. Als ich ankomme versucht einer der anderen Camper gerade aus Steinen einen kleinen Windschutz um sein Zelt zu bauen (Achtung!). Die vorherige Nacht konnte er aufgrund des Winds wohl kaum schlafen (Achtung!). Nach einer Nudelsuppe und einer heißen Schokolade gehe ich ins Bett. Auch in dieser Nacht wird der Wind so stark, dass mein Zelt unfreiwillig zum Tanz aufgefordert wird. Ich versuche die Zeltstangen von Innen zu unterstützen und finde dadurch kaum Schlaf. Um 5 Uhr erkläre ich die Nacht für beendet und räume meine Sachen zusammen. Glücklicherweise gibt es einen Ort, an dem ich mich vor den Witterungen schützen kann – das Toilettenhäuschen. Dort verbringe ich eine weitere Stunde um mich zu erholen, Kaffee zu trinken und meine Optionen abzuwägen. Die Chance auf eine Mitfahrgelegenheit zur Hauptstraße halte ich aufgrund der frühen Uhrzeit für gering. Die Möglichkeit, 10 km zu eben dieser zu Fuß zurückzulegen, halte ich für nass, kalt und unangenehm. Den 9 km langen Wanderweg entlang der Küste nach Eggum halte ich für eine sinnvolle Alternative. Von dem Wanderweg wurde mir in der Campingküche in Moskenes aufgrund mangelnder Abwechslung zwar noch abgeraten (Achtung!), aber nach Ausschluss der anderen Optionen, fälle ich meine Entscheidung. Ohnehin gibt es grad nichts besseres zu tun und die Regenwolken hängen in den Bergen, sodass es an der Küste verhältnismäßig trocken ist. Also los! Auf den ersten Kilometern ist es noch lustig, sich durch das schmuddelige Wetter zu schlagen. Während der Weg immer weiter bergauf führt, wird der Hang hinunter zum Meer immer steiler. Zeitweise gibt es Ketten zum Festhalten und zeitweise erkenne ich nicht mehr wo der Weg entlangführt. All das wäre relativ unspektakulär und auszuhalten, wäre da nicht dieser furchtbar starke Wind, dem ich mit meinem großen Rucksack eine hervorragende Angriffsfläche biete. So hervorragend, dass ich zwei mal vom Wind zu Boden gedrückt werden. Da es außer mir, dem Abhang und dem tosenden Meer auch mein Glück und eine große Menge an Schafsscheiße gibt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass ich dabei einmal mit der Hand direkt in einem Kothaufen lande. Vom Winde in die Scheiße verweht, bekomme ich vor der Situation ganz schön Respekt, wenn nicht sogar Angst. Niemand weiß, dass ich hier bin und weder das Ziel noch Handyempfang sind in Sichtweite. Indem ich auf dem Handy mein GPS-Signal verfolge, versuche ich meine Nerven zu beruhigen. Mit sinkenden Höhenmetern sinkt dann auch meine Anspannung. Nachdem ich den Berg hinter mich gebracht habe, führen die letzten Kilometer über Wiesen entlang der Küste nach Eggum. Dort angekommen, will ich schnell weg, Richtung Zivilisation, ins Trockene, mit meinen Händen unter einen Wasserhahn. Nachdem ich eine halbe Stunde Richtung Hauptstraße durch den Regen watschele, finde ich eine Mitfahrgelegenheit, die mich bis zum Campingplatz Sandvika Camping in Ørsvågveien mitnimmt. Gerettet!

Klar, Sommer ist wärmer, Sommer ist sonniger, Sommer ist berechenbarer. Doch der Google-Fund „Ab September kann man Nordlichter sehen“ ließ mich letztlich Flugtickets für Ende August buchen. Es ist noch nicht zu kalt und es gibt eine (geringe) Chance auf Polarlichter, die ich auf dieser Reise übrigens nicht, oder zumindest nicht direkt, gesehen habe (siehe Åndalsnes). Auch aufgrund der Touristenmassen, die im Sommer unterwegs sein sollen, war ich mit meiner Entscheidung zufrieden.

Henningsvær 

Am nächsten Tag will ich weder mich noch mein Zelt beträchtlich bewegen. Stattdessen nehme ich den Bus nach Henningsvær, um dort Souvenirs zu kaufen und mir ein gutes Essen zu gönnen. Der Ort ist grau, nass und ausgestorben und ich erschöpft, sodass ein trostloser Tag vergeht.

Vom Campingplatz in Ørsvågveien nehme ich am nächsten Morgen den Bus zurück nach Moskenes. Es ist ein weiterer Regentag und somit perfekt für eine dreistündige Busfahrt mit toller Aussicht. Die Trostlosigkeit vom Vortag weicht Nostalgie und ich freue mich über all die unvergesslichen Erlebnisse der letzten Tage. 

Reinebringen

An meinem letzten Tag auf den Lofoten mache ich mich vom Campingplatz in Moskenes auf in Richtung Reine. Die Wetteraussichten sehen nicht rosig aus, aber ich will den letzten Punkt auf meiner Lofoten-Bucketlist, den Ausblick vom Reinebringen (448 m), auf keinen Fall verpassen. Von Moskenes laufe ich entlang der Straße Richtung Reine, bevor Pfeile auf dem Boden zum Einstieg des Wegs auf den Reinebringen deuten. Der Wanderweg besteht fast ausschließlich aus Steinstufen, nur kurz vor dem Ziel gibt es ein paar wenige Höhenmeter Matsch zu überwinden. Aufgrund der dicken Wolkendecke stelle ich mich darauf ein, den berühmten Ausblick vom Reinebringen nicht genießen zu können. Doch dem ist ganz und gar nicht der Fall. Das komplette Ausmaß der Aussicht eröffnet sich auf dem Reinebringen erst zu aller Letzt, auf dem allerletzten Höhenmeter. Die Wolken tuen dem Ausblick keinen Abbruch und das Städtchen Reine und die Lofoten sehen von hier oben einfach wunderschön aus. 

Nach dem Abstieg laufe ich durchs schöne Reine, genieße eine Zimtschnecke und mache eine Rundfahrt mit der Fähre. 

Am nächsten Morgen geht es von Moskenes zurück aufs Festland, wo ich schon am Abend in den Nachtzug nach Trondheim steige. Nach sechs Tagen auf den Lofoten, soll es per Zug über Åndalsnes zu den Klassikern Preikestolen, Kjeragbolten und Trolltunga im Süden gehen.

0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments